. . . Rebecca Hasseli?

Rebecca ganz in ihrem Element.

Rebecca aus dem TiL-Jahrgang 2006 hielt schon während ihrer Schulzeit aktiv Ausschau nach einem späteren Berufsziel und kam während unterschiedlicher Praktika in diversen Kliniken zu dem Schluss, dass ein Medizinstudium genau ihren Interessen und Stärken entspricht. Den Wunsch vieler TiL-Stipendiat*innen, ein Medizinstudium zu ergreifen, beschreibt Rebecca folgendermaßen: „Wenn man innerhalb einer Gruppe von TiLern einen Stein in die Luft werfen würde, würde es mit 60% Wahrscheinlichkeit einen zukünftigen Mediziner treffen“ – eine Aussage, die auch auf sie selbst zutrifft 🙂 Nach einem dreimonatigen Pflegepraktikum im Katharinenhospital in Stuttgart zog Rebecca für das Studium nach Gießen in Hessen, da man zu der Zeit noch Studiengebühren in Baden-Württemberg bezahlte.

Von 2010 bis 2016 studierte sie also an der Justus-Liebig-Universität und schloss das Studium in Regelstudienzeit ab. Eine große Unterstützung während des Studiums war das Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung, durch die Rebecca die ganze Studienzeit über gefördert wurde. In ihrem fünften Semester, 2012, begann Rebecca bereits mit ihrer Doktorarbeit am Max-Planck-Institut in Bad Nauheim mit dem Schwerpunkt „Lungenregeneration“. Da sich die Arbeitsgruppe nach eineinhalb Jahren auflöste, musste Rebecca die Promotion leider abbrechen – doch sie nennt es Fluch und Segen zugleich: Auf der Suche nach weiteren Themen, die sie interessieren könnten, stieß Rebeca auf die Rheumatologie und begann eine Doktorarbeit am Franz-Groedel-Institut in Bad Nauheim im Bereich der experimentellen Rheumatologie. Sie konnte schnell Fuß fassen, da sie bereits Vorkenntnisse im Labor hatte. Die Daten der Doktorarbeit konnte Rebecca bereits auf mehreren nationalen und internationalen (u.a. in den USA und innerhalb der EU) Kongressen präsentieren. Das internationale dreijährige Graduiertenkolleg „Molecular biology and medicine of the lung“, das sie bereits während der ersten Promotionsarbeit begonnen hatte, schloss Rebecca 2015 erfolgreich ab.

Seit August 2016 ist Rebecca nun als Ärztin tätig und ist der Rheumatologie treu geblieben. Zu Berufsbeginn wagte sie einen erneuten Umzug in die Ferne und zog nach Lübeck, wo sie als Ärztin in der Universitätsklinik für Rheumatologie arbeitete. Sie war auch am Aufbau der Klinik beteiligt, da es zuvor keine eigenständige Rheumatologie in Lübeck gab. Doch Rebeccas akademische Karriere ist noch nicht abgeschlossen – da sie habilitieren möchte, wagte sie den Wechsel zurück nach Bad Nauheim, wo sie nun in einer der größten Kliniken für Rheumatologie bundesweit tätig ist. Neben der Arbeit in der Klinik betreibt Rebecca Lehre und Forschung. Bis zum Facharzt und zur Habilitation ist es noch ein langer Weg, aber Rebecca ist überzeugt: „wir TiLer geben nie auf.“

Rebecca bei der TiL-Sommerakademie am Bodensee.

Ihre Nähe zu TiL war auch noch lange nach dem Abschluss ihres Stipendiums zu spüren- drei Mal war sie Assistentin für den Medizinkurs bei der Sommerakademie. Kursleiter Dr. Jörg Klug, der an der Universität in Gießen lehrt, kannte Rebecca auch schon aus ihren Anatomieseminaren. Mit einigen der Kursteilnehmer*innen steht sie auch noch immer in Kontakt. Und natürlich kamen nach alter TiL-Manier auch die ehrenamtlichen Tätigkeiten nie zu kurz: neben dem Studium war sie in der Initiative ‚Medinetz Gießen‘ tätig, einem bundesweiten Netzwerk, das sich um die medizinische Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltstitel kümmert – was aber nicht bedeutet, dass Studierende die Patienten behandelt. Viel mehr agieren Freiwillige wie Rebecca als Vermittler*innen und sorgen entweder für eine kostenlose Behandlung oder durch eine Finanzierung von Spenden. Zusätzlich war Rebecca im Arbeitskreis ‚Ethik in der Medizin‘ tätig, ein Aspekt, der ihrer Meinung nach während des Studiums viel zu kurz kommt. Ziel des Arbeitskreises ist es, die Medizinstudenten vor dem Klinikalltag auf ethisch kritische Fälle anhand realer Erfahrungen vorzubereiten und gezielt die Kommunikation in solchen Situationen zu trainieren. Auch für das Seminarprogramm der Hans-Böckler-Stiftung organisierte Rebecca ein Wochenende rund um die Thematik. Aber damit noch nicht genug – außerdem hat Rebecca noch der Initiative ‚ArbeiterKind.de‘ unter die Arme gegriffen, bei der junge Menschen aus Arbeiterfamilien für das Studium motiviert werden und vor allem zu Beginn unterstützt werden. Viele junge Menschen müssen sich heute noch die Unterstützung der Familie für ein Studium erkämpfen und stoßen dabei oft auf Widerstand. Dies soll dadurch verändert werden. All die Engagements konnte Rebecca in letzter Zeit aufgrund der vielen Ortswechsel leider nicht fortsetzen, strebt dies nach Eintreten einer alltäglichen Routine wieder an. Sie sagt: „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir durch TiL unterstützt werden/wurden. Das möchte ich auch weiterhin an die Gesellschaft zurückgeben. Noch immer zehre ich von den tollen Erfahrungen, die ich bei TiL machen durfte und empfehle jedem, sich zu bewerben. Einige meiner besten Freunde gehören zur TiL-Familie.“

Wir bedanken uns bei Rebecca für die Spuren, die sie bei TiL hinterlassen hat und den Einblick in ihr Leben und wünschen ihr – beruflich und privat – nur das Beste!

. . . Özgür Kibarogullari?

Özgür Kibarogullari aus dem Jahrgang 2004 ist in Istanbul geboren und mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Er besuchte nacheinander Hauptschule, Realschule und Gymnasium und machte dann 2009 sein Abitur. Um die Zeit bis zum Studium zu überbrücken, arbeitete Özgür an seiner ehemaligen Hauptschule als Assistenzlehrer in einer Vorbereitungsklasse. Es war ihm wichtig, den Jugendlichen, die in derselben Situation waren wie er selbst noch vor wenigen Jahren, ein Mut machendes Beispiel zu sein: „So hatten sie jemand, der auch in der Situation war und jetzt Abitur gemacht hat.“

Zur selben Zeit wurde Özgür Basketball-Coach für die U14 Mannschaft in Ludwigsburg, was eine herausfordernde Position war, wie er beschreibt: „Erstens musste ich die richtige Trainingsplanung machen, da die Spieler die besten aus Baden-Württemberg waren und teilweise zu den besten in ganz Deutschland gehörten. Zweitens waren diese Spieler in der Pubertät und ich fühlte mich verantwortlich, mich um die Schule und andere Sachen von Spielern zu kümmern.“ Eine sehr zeitintensive Aufgabe, die von Erfolg gekrönt wurde – Özgürs Mannschaft wurde Baden-Württembergischer Meister!

Im Oktober 2009 begann er dann sein Informatikstudium an der Universität Stuttgart. Auch während des Studiums spielte Basketball eine große Rolle für Özgür: Neben dem Coaching bot er zusätzlich noch Basketball-Kurse und -AGs in Schulen an.

2010 initiierte Özgür gemeinsam mit Freunden ein weiteres Projekt: Die Gruppe wollte Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zusammenbringen, um über spannende Themen zu diskutieren. Sie organisierten mehrtägige Treffen, zu denen spannende Gäste kamen: „[…] wo Autoren, Juristen, Diplomaten und viele andere interessante Persönlichkeiten eingeladen waren. So hatten die Teilnehmer die Möglichkeit mit eingeladenen Personen über die Themen direkt zu diskutieren.“ Das Projekt nahm bald Fahrt auf und einzelne Teilprojekte konnten sogar Preise gewinnen!

Im Sommer 2010 reiste Özgür dann mit einem Fulbright-Stipendium an die Basketball-begeisterte University of Kentucky, was für ihn ein absolutes Paradies war. Und auch sonst war der Aufenthalt dort beeindruckend: „Außerdem war es für mich eine sehr interessante Zeit, da ich gesehen habe, wie spontan und schön es ist, lange Zeit ohne Handy und Internet zu leben :-).“

Ab 2011 standen für Özgür alle Zeichen auf „Zukunftsplanung“: Um sich über seinen Berufswunsch klar zu werden, absolvierte er ein Praktikum bei der Robert Bosch GmbH, ein Auslandssemester an der Istanbul Bogazici Universität und eine Hospitation als Basketballtrainer bei Fenerbahce Istanbul. Vor seiner Zeit in Istanbul spielte Özgür mit dem Gedanken, später in der Türkei leben und arbeiten zu wollen – hiervon kam er dann allerdings ab: „Nachdem ich aus der Türkei zurückgekommen bin, habe ich schnellstmöglich ein Antrag für die deutsche Staatsbürgerschaft gestellt.“ Zurück in Deutschland arbeitete Özgür als Werkstudent bei der Daimler AG, was ihm half seinen Berufswunsch zu konkretisieren. Ende 2013 konnte Özgür dann sein Bachelorstudium erfolgreich abschließen und nach kurzer Zeit bei der Unternehmensberatung Accenture anfangen. Nach verschiedene Projekten in Indien und Europa hat er sich entschieden wieder zurück nach Stuttgart zu kommen. Zurzeit ist er in der Automobilindustrie tätig. Wir wünschen wir ihm alles Gute!

Den Stipendiat*innen würde Özgür gerne folgendes mit auf den Weg geben: „Genieße alles im Leben. Sowohl Erfolg als auch Misserfolg.“